Nr.14 Para dos
Als Mensch bin ich häufig nicht sehr konsequent. Es geschieht, dass ich zu einem Thema keine Meinung habe. Aber immer wieder habe ich auch zwei sich widersprechende Meinungen zum selben Thema.
Bei vielen der kontrovers diskutierten politischen Themen fällt es mir schwer, mich für eine Seite zu entscheiden. Ich glaube, dass man den Künstler von seiner Kunst trennen sollte und räume gleichzeitig ein, dass das nicht immer möglich ist. Ich bin kein Fan von Religion und gleichzeitig bereitet mir das Verschwinden der Kirche und ihrer Traditionen Sorge. Flüge und Geflügelkonsum finde ich furchtbar, aber ich spüre Hunger. Und Neugier. Vielen Positionen kann ich kritisch gegenüberstehen – und ihnen gleichzeitig viel abgewinnen.
Orwell bezeichnet in 1984 die Kunst, gleichzeitig zwei gegenteilige Ansichten als Wahrheiten zu akzeptieren, «doublethink». In seinem Buch wird kritisiert, dass man sich je nach Situation völlig an die vorherrschende Denkweise anpasst. Während ich damit grundsätzlich einverstanden bin, schliesse ich mich auch Jung an, der behauptet, dass Paradoxe etwas fundamental Menschliches beschreiben.
Vor einiger Zeit hat eine Freundin meiner Mutter diesen Satz von sich gegeben.
Einerseits ist es eine Floskel, dass es das Glück nicht zu kaufen gibt. Schon die Beatles und Jordan Belfort wussten das. Ein Preis kann auf Zufriedenheit also nicht gesetzt werden.
Sie meinte den Satz aber anders. Sie sprach davon, dass sie sich viele Jahre lang vor ihrem eigenen Glück fürchtete, wegen ihrer Überzeugung, dass man für die eigene Zufriedenheit immer teuer bezahle. Sie habe allerdings mittlerweile realisiert, dass man für das Glück nicht bezahlen muss. Das Glück besitzt keinen Preis.
Das Paradoxe des Lebens liegt in diesem Verhältnis. Vieles vom wirklich Wichtigen kann man, mit Hartmut Rosa gesprochen, nicht «verfügbar» machen. Man kann es sich nicht erstehen, man muss dafür aber auch nichts bezahlen. Wenn wir versuchen, Gegensätzliches mit Eindeutigem aufzulösen, (be)greifbar zu machen, verlieren wir etwas vom fundamental Menschlichen.
Quellen:
George Orwell – 1984
https://www.goodreads.com/book/show/61439040-1984?from_search=true&from_srp=true&qid=faoUgr3IHD&rank=1
The Beatles – Can’t Buy Me Love
https://www.youtube.com/watch?v=srwxJUXPHvE&ab_channel=TheBeatlesVEVO
Martin Scorsese – The Wolf of Wall Street
https://www.imdb.com/title/tt0993846/?ref_=nv_sr_srsg_0
Hartmut Rosa – Unverfügbarkeit
https://www.goodreads.com/book/show/43240561-unverf-gbarkeit?from_search=true&from_srp=true&qid=kuvVYy3N7f&rank=1
Juli Zeh – Über Menschen
https://www.goodreads.com/book/show/57306699-ber-menschen