Nr.18 Rap, Reichtum und Reue
Text. Jonas Stetter / Bild. Bertha S.
31.März 2024
Bad Bunny hat alles, was er will. Der Musiker aus Puerto Rico ist noch keine dreissig, hat es in den letzten fünf Jahren aber geschafft, auf eigenwillige Weise zu einem der erfolgreichsten Musikstars der Welt zu werden. Letztes Jahr hat er allein durch Konzerte eine halbe Milliarde Dollar verdient – das am wenigsten gehörte Lied seiner letzten Platte bringt es auf über zweihundert Millionen Klicks auf Spotify.
Am vielleicht beeindruckendsten ist, dass Benito Martínez (Bad Bunnys gebürtiger Name) es nicht nur geschafft hat, in den Latino-Ländern, wo Reggaeton zu den beliebtesten Musik-Genres gehört, Erfolg zu finden. Tatsächlich ist Benito global der am meisten gespielte Künstler – und das schon über die letzten Jahre.
Benitos Musik prägen auch Kollaborationen – diese reichen von unbekannten Künstlerinnen, denen er eine Plattform auf seinen Alben bietet, bis hin zu Weltstars. Im Video für seine neue Single Monaco sind nicht nur der 83-jährige Al Pacino (der kürzlich zum vierten Mal Vater geworden ist), sondern auch die Formel 1 Rennfahrer Max Verstappen und Sergio Pérez zu sehen.
Wovon handelt Monaco? Auf den ersten Lauscher klingt alles nach gewöhnlichen Rap-Inhalten. Er sei besser als die anderen Rapper, er habe sehr viel Geld und alle Frauen, die er haben können wollte, er sei zu vergleichen mit Messi und Maradona, Pablo Escobar würde ihn bestimmt respektieren, wenn er noch leben würde – das Übliche also.
Interessant wird es im Interlude: Hier singt plötzlich der Chansonnier Charles Aznavour, dessen Lied Hier Encore als Sample die musikalische Grundlage für Benitos Lied bildet. Aznavour, der in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts als der "französische Sinatra" galt, hat das Lied 1964 veröffentlicht. Obwohl der Sänger da gerade einmal vierzig Jahre alt war, singt er aus der Perspektive eines gebrochenen Mannes, der voll Reue auf sein Leben zurückblickt.
So nutzt Benito Aznavours Stimme in Monaco, während die Motoren der Formel 1 um ihn herumrauschen. Aznavour wird bald von Benito unterbrochen, der noch eindringlicher über seinen eigenen legendären Status berichtet. Es ist ein Muster, das aus dem Rap bekannt ist; während die Künstler auf ihren Exzessen und ihrer Unvergänglichkeit beharren, klingt die Musik tragisch und signalisiert das Gegenteil.
Erinnert hat mich das Lied an eine Szene, die sich kürzlich in einem meiner Kurse an der Universität St. Gallen abgespielt hat. Die Masterstudierenden wurden gefragt, womit sie sich beschäftigen würden, würde Geld keine Rolle spielen. Ich hatte erwartet, dass ein Grossteil unabhängig von monetären Anreizen aus Interesse anwesend wäre. Das Bild gestaltete sich allerdings anders: Plötzlich gingen aus den angepassten Figuren Individuen mit originellen Wünschen und Träumen hervor. Einige sprachen davon, Philosophen sein zu wollen, andere davon, sich als Künstlerinnen zu versuchen und Dritte wollten ein Tierheim für ausgesetzte Katzen öffnen. Gesprochen wurde davon überraschenderweise mit mehr Passion als über Risikoeinschätzungen und Renditen wenig später.
Benito Martínez ist auf dem Land aufgewachsen und singt nun bei Saturday Night Live. Er hat alles, was er will. Dennoch beendet Charles Aznavour Monaco:
"Hier encore, j'avais vingt ans
Je caressais le temps, et jouais de la vie
Comme on joue de l'amour, et je vivais la nuit
Sans compter sur mes jours, qui fuyaient dans le temps."
Quellen:
Bad Bunny – Monaco
https://www.youtube.com/watch?v=_PJvpq8uOZM&ab_channel=BadBunny
Charles Aznavour – Hier Encore
https://www.youtube.com/watch?v=dbxyKR1P8vA&ab_channel=AznavourVEVO
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