Nr.11 Menschenskinder

Text. Jonas Stetter / Bilder. Bertha

«Do you feel like adults understand what kids are going through?»

Der Film C’mon C’mon von Mike Mills behandelt Themen wie Verlust, Trauer, Unabhängigkeit, Erinnerungen und Familie. Im Zentrum steht aber diese Frage, die der Journalist Johnny einem Kind in New Orleans stellt.

Erwachsene und Kinder haben einiges gemeinsam. Unser Nachwuchs sieht aus wie eine kleinere Version von uns selbst, er hat ähnliche Bedürfnisse. Aber die Wahrheit ist, dass wir in fundamental verschiedenen Welten leben. Es trennt uns eine Wand, die aus vergessenen Erinnerungen besteht. Könnten wir uns besser an unsere eigene Kindheit erinnern, vor allem daran, wie es sich konkret anfühlt, ein Kind zu sein, wäre diese Wand zumindest halbdurchsichtig. Aber Erwachsene und Kinder bleiben einander ein Mysterium.

Es kann frustrierend sein, mit einem solchen fremden Wesen interagieren zu müssen. Das zeigt der Film anhand der Beziehung zwischen Johnny und seinem Neffen Jesse. Zwar ist Jesse ein Junge, der in vielen Aspekten wie ein Erwachsener ist, aber die Konflikte zwischen der Hauptfigur und ihm entstehen überwiegend, weil sie einander nicht verstehen. Kinder brechen ständig unsere mehr oder weniger klar definierten Regeln und machen es uns als Erwachsenen dadurch schwierig, mit ihnen umzugehen.

Deshalb investieren wir viel Zeit, Energie und Geld darin, jedes neu hinzugekommene Mitglied unserer Gesellschaft an ihre Konventionen anzupassen. Viele Jahre hindurch werden Kinder gelehrt, dass es für sie negative Konsequenzen gibt, wenn sie ihr Leben nicht nach den Regeln der Erwachsenen führen. Am Ende haben wir innerhalb von einem gewissen Rahmen eine homogene, uniforme Gruppe an Menschen, die bereit ist, ihren Beitrag zu unserer Gesellschaft zu leisten.

Das klingt vielleicht düster, aber wir brauchen diese Homogenisierung und Uniformierung. Ohne sie würde das Zusammenleben nicht so funktionieren, wie wir Erwachsene es gerne hätten. Und doch verlieren wir durch die Anpassungsprozesse vieles, was an uns menschlich ist.

Eine Kollegin an der Schweizer Schule in Mexiko, hat mir einmal erklärt, wieso sie gerne mit Kindern arbeitet: «Sie sehen alles mit einer Neugier, die den Erwachsenen abhandengekommen ist. Wenn ein Kind scheinbar gelangweilt aus dem geschlossenen Fenster schaut, beobachten wir eigentlich, wie sich in ihm gerade Welten öffnen.»

Quellen:

Mike Mills – C’mon C’mon

https://www.imdb.com/title/tt10986222/

Menschenskinder. Öl auf Papier

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