Nr.1 Meditation
10. April 2022 / Jonas Stetter / Bilder. Bertha S.
Alle unregelmässig Meditierenden kennen die häufigste Metapher, welche Lehrende nutzen, um Gedanken zu bezeichnen.
Das Feld des Bewusstseins wird beschrieben als Himmel, an dem Gedanken wie Wolken die Tendenz haben, unerwartet aufzuziehen. Die Kunst soll darin bestehen, diese Denkdünste vorbeiziehen zu lassen, um in den Genuss von Sonnenstrahlen absoluter Klarheit zu kommen.
Meine Zweifel an dieser Metapher sind zweierlei.
Erstens sind meine Gedanken gemeinhin nicht wie Wolken. Öfter sind es Schiffe aus Stahl, mit vier riesigen rauchenden Türmen wie die Titanic, die bestenfalls im Schritttempo an mir vorbeifahren und mich so dazu zwingen, in jede der leicht spiegelnden kleinen Luken hineinzustarren, bis das Schiff an mir vorüber oder – wahrscheinlicher – die Meditation zu Ende ist.
Manchmal manifestieren sich die Gedanken auch als Eiszapfen, unter die ich das Unglück hatte, mich zu setzen. Stetig tropft eiskalt eine blasse Erinnerung auf meine Kopfhaut, die mich an das Hier und Jetzt der Sorge knüpft, der Eiszapfen möge jeden Moment entschliessen, sich auf mich niederfallen zu lassen.
Zweitens - und entscheidender - ist mein Bewusstsein kein Himmel. Eher ist es ein ziemlich schmutziger Teich, der hinter einem verlassenen Anwesen verwahrlost. Undefinierte und undefinierbare Stücke verunreinigen das Wasser, es schweben überall Ahnungen von Seerosen (oder sind es Algen?) und ein grauer, alter, hustender Fisch zieht seine immer schwerfälliger werdenden Kreise.
Was ich mir wünsche: Wenn sich Apps Metaphern bedienen, um den Zustand der Meditation zu beschreiben, wäre eine realitätsnähere Auswahl eine Unterstützung für den Selbstwert der Kundschaft.